Midwinter Chroniken - Die Elfen der Sha'anaar


Kurzbeschreibung

Ein düsterer Fantasy-Roman vom Schöpfer der Reihe Nacirons Vampire. Wir treffen auf die mit Mondtoren verbundenen ungastlichen Welten des Elmbundes. Besiedelt von Elfen, Zwergen, Menschen und phantastischen Geschöpfen. Welten, ohne strahlende Helden.

Auf den Welten des Elmbundes ist der Schrecken von Krieg, Machtkämpfen  und Unterdrückung stets allgegenwärtig. Ungeahnte Magie und unnachgiebiger Stahl sind Argumente, die in einer Auseinandersetzung zählen.

Kaylon Midwinter lebt im Elmbund. Er ist auf der Flucht vor seiner eigenen Herkunft und kennt die Grauen des Weltenverbandes. Von einer elfischen Kohorte gefangenen genommen, blüht ihm der Verkauf auf dem Sklavenmarkt von Soho. Doch Kaylons einzige Sorge ist die Tarnung seiner Identität. Denn wenn die Elfen herausfinden, wen sie als Gefangenen unter sich haben, wäre im Vergleich dazu selbst eine kurze Zukunft als Nahrungsquelle der Kohorte harmlos.

Als er von Druiden ersteigert wird, ist er gezwungen zu einer gefährlichen Gradwanderung zwischen seiner Vergangenheit und dem elfischen Druidenzirkel der Sha’anaar in eine unbekannte Zukunft.


Leseprobe

Der Markt von Soho war bekannt für seine Vielfalt. Hier gab es elfisches Material, Zwergenressourcen und alles Normale und Exotische der Menschenwelt.

»Werter Herr, hierher, hier gibt es das allerfeinste Zwergenfleisch!«

Der angesprochene Mann winkte ab.

»Das beste auf dem Markt! Am Spieß oder mit Brot umbacken, je nach Wunsch!«

Der potentielle Kunde brummte »Nein, ich bevorzuge sie lebend« und lief weiter. Er hatte ein Raabfeld und darunter gab es, wie so häufig, ein Quistumnest. Er suchte auf dem Markt von Soho immer wieder nach Zwergen, die an seinen Tunneln unter dem Feld arbeiteten und diese Biester jagten. Quistume waren gefährliche Tiere, die ihr Revier aufs Äußerste verteidigten. Allmählich wurde das Goldbudget des Raabfeldbesitzers für Zwerge knapp.

»Vielleicht ein schöner Schinken vom Steppenelf? Für die Ehefrau?«, gab der Verkäufer nicht auf. Der Markt von Soho war nicht nur bekannt, sondern berühmt für seine Vielfalt.

Der Verkäufer verstummte aber schnell wieder, als eine Zenturie von Elfenkriegern heran marschiert kam. Er hatte einmal versehentlich einem Elfen den Schinken angeboten. Die Antwort »Sehe ich aus wie ein Kannibale« war dicht gefolgt gewesen von einem fürchterlichen Schlag, der dem Verkäufer damals die Nase gebrochen hatte. In einer Stadt der Vielfalt, wie es Soho war, musste man flexibel sein. Er tauschte das Fleisch mit dem Blumensud und bat diesen dem weiblichen Hauptmann der Zenturie an, der Lanze, wie die offizielle Bezeichnung in der Zenturie war.

Doch die Zenturie hatte es eilig. Esanielle Vi‘landor überließ es ihrem Unteroffizier den Verkäufer bestimmt zur Seite zu drängen und führte ihre Zenturie weiter an den Zielort. In Soho konnte man nicht nur vieles käuflich erwerben, man konnte es auch verkaufen. Ihre Zenturie hatte erst kürzlich ca. elf Tagesreisen von hier in einer Schlacht gekämpft und jetzt würde sie die Kriegskasse aufbessern. Ihr letzter Befehl hatte glücklicherweise nicht vorgesehen keine Gefangenen zu machen, was dem Trupp Gelegenheit gab, heute einige Menschen in Ketten an diesen Ort zu führen.

Caleb Bathak war kein Sklavenhändler, er war Vermittler. Darauf war er stolz. Er kaufte keine Lebewesen an, um diese wieder zu verkaufen, wie dies viele andere taten, er blieb ehrenhaft. So zumindest sah dies der ehemalige Bauernsohn. Seine Ehre zu erhalten war tief in seinem Inneren dabei kein Ziel, eher, kein unnötiges Kostenrisiko auf sich zu nehmen. Manch einer hatte schon Sklaven aufgekauft, die dann bis zum Verkauf verstorben waren, teils an Krankheiten, bei Kämpfen untereinander oder bei Fluchtversuchen. Bathak hatte dieses Risiko eliminiert. Er bot den Platz und die Gelegenheit zum Sklavenverkauf. Jeder, der hier über ihn Sklaven verkaufte, musste ihm einige Prozente abgeben. Jeder, der in Soho versuchte ohne ihn Sklaven zu verkaufen, verstarb meist kurz nach der Abreise. Geschäfte können so einfach sein.

Esanielle Vi‘landor kannte den Vermittler. Das Gespräch zwischen ihnen dauerte nur kurz an, auch wenn Caleb stundenlang das silberne Haar Esanielles und ihre Elfenschönheit hätte betrachten wollen. Er wusste immerhin, dass man eine elfische Zenturie besser nicht lange aufhielt. Die Tagesarbeit dieser effizienten Krieger war der Kampf. Und Caleb war immer darauf bedacht, dass sie nicht dort kämpften, wo er sich aufhielt. Wie jeder mit Verstand.

Nachdem viel auf dem Markt von Soho los war, vereinbarte er mit der Elfenkriegerin, dass sie in einer Stunde ihre Gefangenen anbieten durfte. Ihre hundert Soldaten führten zweiundzwanzig Gefangene in Ketten mit sich. Esanielle ließ ihre Soldaten am Rande von Bathaks Platz rasten, in seinem von Caleb so bezeichneten Wartesaal. Der Platz war mit Mauern vom eigentlichen Verkaufsbereich abgetrennt. Caleb wollte nicht, dass sich seine Kundenschaft von den gerade vorgeführten Kaufobjekten ablenken ließ. Zwei andere Gruppen mit ihren Gefangenen warteten dort bereits.

Ein Dutzend Zwerge bewachten mit ihren mächtigen Streitäxten zwei Menschen und zwei Elfen, die sie zu verkaufen gedachten. Sechs Menschen hielten eine sehr verwahrlost wirkende Gruppe aus Menschenfrauen und Kindern in Schach.

Esanielle wusste auf einen Blick, dass ihrer sehr disziplinierten Streitmacht keine Gefahr von den anderen Händlern drohte. Auf ihren Befehl hin – und nur auf ihren Befehl – würden die Elfen jeden Anwesenden töten, bevor diese ihre Waffen auf die Elfenkrieger richten konnten. Sie nickte Leutnant Alonas Vi‘landor zu, einem entfernten jüngerem Cousin aus ihrer einflussreichen Familie. Er verstand ihr Zeichen und ließ die Streitmacht Position beziehen. Sie unterließen es niemals, vernünftige Verteidigungshaltung einzunehmen.

Esanielle übergab Alonas die Befehlsgewalt über die Zenturie und verließ in Begleitung eines Unteroffiziers und dreier weiterer Soldaten Caleb Bathaks Sklavenmarkt.

Soho stank nach allerlei ekligem gebratenen Fleisch, verwahrlosten Menschen, erdverkrusteten Zwergen und Unrat. Es war ein Ort, an dem Reisende nicht lange verharrten. Man kam um zu verkaufen oder zu kaufen, und das möglichst rasch. Wer in Soho aus welchen Gründen auch immer verarmte, vielleicht durch Glücksspiel, der fand sich selbst oft als Verkaufsware wieder. Lebend oder zubereitet.

Der Krieg hatte diese erbarmungslosen Zustände hervorgerufen. Essen war rar, Fleisch noch rarer. Kein Zwerg aß Zwergenfleisch, kein Elf Elfenfleisch, kaum ein Mensch Menschenfleisch. Aber das Fleisch der anderen Rassen konnte man akzeptieren, wenn man sonst hungerte. Und Nutztiere waren in diesen Zeiten oft mehr wert, als ein kraftloser Gefangener, der auch Futter benötigte.

Dennoch war Soho kein rechtloser Ort. Zwar war Soho frei von einer richtigen Regierung, aber die Händler hatten sich in der Soho-Handelsgilde zusammen geschlossen und stimmten regelmäßig über die Belange der Stadt ab.

Sie alle gemeinsam finanzierten auch eine streitkräftige Söldnerarmee, die die Verteidigung der Stadt übernahm. Sie achteten bei der Auswahl darauf, dass erfahrene Haudegen die Führung innerhalb der Söldner übernahmen, denn die Händler wollten Sicherheit innerhalb der Stadt, aber keine willkürlichen Übergriffe. Außerdem war ihnen klar, dass man eintreffende Armeetruppen besser nicht verärgerte. Soho sah harte Bestrafungen für alle vor, die den Frieden oder Handelsabkommen verletzten.

Soho war gewachsen aus einer Ansammlung von reisenden Händlern, die sich hier regelmäßig zu einem überregionalen Markt getroffen hatten. In ihren Handelszelten hatten sie ihre Waren angeboten. Der Ort lag günstig am Fluss, da die Natur hier erlaubte, dass Schiffe anlegen konnten. Das Meer war dadurch nicht mehr weit, und der Handel mit zahlreichen Städten war nicht mehr aufzuhalten gewesen. Nach und nach gab es auch Holzhäuser, aber die Zelte waren immer noch vorhanden. Die Gassen der Stadt waren von ihren bunten Stoffen geprägt.

Eine Stadtmauer besaß Soho nicht. Viele Truppen unterschiedlichster Fraktionen kamen nach Soho, aber sie kamen hauptsächlich in Frieden um Kriegsbeute zu verkaufen. Eine Verteidigungsanlage wäre so oder so überflüssig gewesen. Sollte Soho erobert werden, störte sie nur bei der sicher rasch kommenden Befreiung.

Esanielle dachte nicht oft über die schlechten Zustände nach. Ihr war eine Zenturie anvertraut worden, und sie gedachte diese möglichst verlustfrei durch die widrigen Zeiten zu führen. Dazu war es vor allem notwendig, Disziplin und Gehorsam unter den Soldaten aufrecht zu halten. Sie ging zielstrebig über den Markt, kaufte einige Kräuter und Verbandsutensilien ein. Essen kaufte sie hier nicht. Die Preise in Soho waren hoch, und in der Regel nahmen sie sich auf ihren Wegen, was sie benötigten.

Als Zenturie zu viel Ballast mit sich zu schleppen kam auch zu häufig Feinden zu gute, wenn man sich bei Übermacht zurückzuziehen hatte. Eine elfische Streitmacht reiste daher mit leichtem Gepäck.

Nachdem sie eine Schifffahrt für die Elfenkrieger nach Vyanheim erkauft hatte, genoss Esanielle am Hafen das aus gemahlenen Bohnen gekochte heiße Gebräu Skar‘aha. Es schmeckte bestialisch, aber es belebte die Geister. Auch ihrem Unteroffizier erlaubte sie ein Getränk, bevor sie wieder zu Caleb Bathaks Basar zurückkehrten.

Leutnant Alonas Vi‘landor meldete ihr, dass eine der Gefangenen im Gesicht verwundet war, und führte diese Esanielle vor. Es handelte sich um eine heulende Menschenfrau, die die Elfenkriegerin um ihre Freilassung anbettelte. Esanielle wischte ihr mit dem Handrücken die Tränen vom Gesicht.

Auf diese Weise konnte sie die Wunde besser betrachten. Aufmerksam betrachtete sie ihre Ware, bevor sie sich an den Leutnant wandte.

»Wer hat sie ins Gesicht geschlagen?«

Die Zwergengruppe war bereits fort, die sechs Menschen verkauften im Augenblick die Frauen und Kinder, die sie mit sich geführt hatten. Bald hatten die Elfen Gelegenheit Geld mit dem Verkauf zu verdienen.

»Läufer Kahlan.«

»Warum?«

Der Leutnant schaute ihr fest in die Augen.

»Die Gefangene wollte einen Aufruhr veranstalten.«

»Hatte er Euren Befehl dazu?«, fragte Lanze Vi‘landor ihren Untergebenen, der in ihrer Abwesenheit die Befehlsgewalt gehabt hatte.

»Nein, Lanze Vi‘landor. Ich habe ihn sofort unter Arrest gestellt und die Gefangene wieder zur Ruhe gebracht.«

Sie nickte ihrem Cousin zu. Dieser wusste, dass auch die familiäre Bindung ihm nicht geholfen hätte, wenn auf seinen Befehl hin eine Gefangene verletzt worden wäre.

»Der Läufer bekommt zehn Peitschenhiebe im Morgenrot.«

Mit einer Handbewegung entließ sie den Leutnant. Danach trat sie direkt vor die Gefangene, die leise schluchzend flehend zu ihr sah.

»Säubere Dein Gesicht und strahle so sehr mit Deinem Lächeln, dass es die Wunde in Deinem Gesicht wieder wett macht. Denn wenn Du keinen ordentlichen Preis erzielst, verkaufe ich Dich an den Metzger.«


Im Handel unter der ISBN 978-3839180402 erhältlich.



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